Rangieren, Rangierer, Rangierbahnhof, Rangiersignal: Solche Begriffe werden im Eisenbahnverkehr regelmäßig verwendet. Im Straßenverkehr bezeichnet das Rangieren bestimmte Bewegungen mit einem Fahrzeug. So wird zum Beispiel ein Pkw unter mehreren Versuchen in eine enge Parklücke oder ein Lkw samt Anhänger an eine Ladestelle rangiert. Aber was bedeutet Rangieren bei Zügen?
Wir klären auf!
Was ist Rangieren im Eisenbahnverkehr?
Das Wort Rangieren leitet sich vom französischen Verb ranger für ordnen, einreihen, aufstellen oder in Ordnung bringen ab. Im Deutschen wurde früher auch vom Verschieben oder dem Verschub gesprochen.
Die offizielle Definition vom Rangieren im Eisenbahnverkehr ist das Bewegen von Fahrzeugen im Bahnbetrieb mit Ausnahme von Zugfahrten. Immer dann, wenn Schienenfahrzeuge absichtlich bewegt werden und diese Bewegungen nicht als Zug- oder Nebenfahrten erfolgen, handelt es sich also um ein Rangieren.
Wird eine Rangierfahrt mit einem einzelnen Triebfahrzeug oder einem Verbund aus mehreren Schienenfahrzeugen durchgeführt, werden das oder die Fahrzeuge als Rangiereinheit bezeichnet. Von einem Zug wird erst und nur dann gesprochen, wenn die Fahrt auf die freie Strecke übergeht.
Welche Rangierbewegungen werden voneinander unterschieden?
Gemäß der Definition gibt es eine Reihe von Fahrzeugbewegungen, die zum Rangieren zählen. Das gilt zum Beispiel, wenn Eisenbahnfahrzeuge bewegt werden, um
- Züge zu bilden oder aufzulösen.
- einzelne Waggon oder eine Waggongruppe in ein anderes Gleis umzusetzen.
- mit der Lokomotive einen Zug zu umfahren, der am Endbahnhof wendet.
- einzelne Triebfahrzeuge innerhalb des Bahnhofs von oder zu Zügen zu bringen.
- Güterwaggons an Verladestellen bereitzustellen oder abzuholen.
- Waggons in Anschlussgleisen abzuholen oder zuzuführen.
- Triebfahrzeuge, Waggon und Waggongruppen von oder zu Abstellgleisen oder Werkstätten zu überführen.
- Schienenfahrzeuge mit ortsfesten Förderanlagen zu bewegen.
Dabei werden im Eisenbahnverkehr verschiedene Bewegungsarten und Verfahren voneinander unterschieden. Führt ein einzeln arbeitendes Triebfahrzeug eine Alleinfahrt durch oder werden mehrere gekuppelte Schienenfahrzeuge mit einem Triebfahrzeug bewegt, wird von einer Rangierfahrt gesprochen.Als Ablaufen wird bezeichnet, wenn Waggons über einen Ablaufberg oder in Bahnhöfen über ein geneigtes Ausziehgleis gedrückt werden und diese Bewegung während der Fahrt durch die Schwerkraft erfolgt. Sind Waggons hingegen nicht mit einem Triebfahrzeug gekuppelt und rollen sie alleine weiter, nachdem das Triebfahrzeug angehalten hat, wird dieser Beschleunigungsvorgang Abstoßen genannt.Die Bewegung, bei der getrennt stehende Fahrzeuge zum Kuppeln zusammengedrückt werden, nennt sich Beidrücken. Aufdrücken wiederum bedeutet, das stehende Fahrzeuge zusammengedrückt werden, um so die Pufferfedern anzuspannen und das Kuppeln oder Entkuppeln zu vereinfachen. Und Verschieben bedeutet, dass Schienenfahrzeuge durch Menschen oder andere Antriebe, bei denen kein Triebfahrzeug beteiligt ist, bewegt werden.
Welche Anlagen und Hilfsmittel kommen beim Rangieren zum Einsatz?
Viele Bahnhöfe sind mit Gleisen und anderen Anlagen fürs Rangieren ausgestattet. Daneben gibt es Rangierbahnhöfe, die ausschließlich dem Rangieren dienen. Solche Bahnhöfe wurden früher auch Verschiebebahnhöfe genannt.Zu den Rangieranlagen gehören spezielle Gleise oder Gleisgruppen, darunter zum Beispiel die Richtungsgruppe in einem Rangierbahnhof, Überführungs- und Ausziehgleise, Ablaufberge und Förderanlagen, mit denen Waggons ohne Triebfahrzeug bewegt werden können. Auch Gleisbremsen, Rangierstellwerke, Signale und etliche andere Einrichtungen zählen zu den Vorrichtungen fürs Rangieren.
Um abgestoßene oder ablaufende Waggons abzubremsen, sind vergleichsweise aufwändige Anlagen notwendig. Ein klassisches Hilfsmittel dabei ist der sogenannte Hemmschuhleger. Dabei handelt es sich um einen Hemmschuh, den ein Mitarbeiter auf das Gleis legt. Läuft ein Waggon mit einem Rad darauf auf, entsteht eine Bremswirkung.
In Rangierbahnhöfen sind außerdem manuell oder automatisch gesteuerte Gleisbremsen im Einsatz. Sie sind direkt unterhalb des Ablaufberges in mehrere Gleise integriert und sorgen dafür, dass die ablaufenden Waggons keine zu hohe Geschwindigkeit haben, wenn sie im Zielgleis ankommen. Im Zielgleis, einem Gleis der Richtungsgruppe, werden die Waggons dann von einem Hemmschuh aufgehalten.Dort laufen sie mit einer Geschwindigkeit, die durch die Bremsen in den Richtungsgleisen reduziert wurde, auf die Waggons auf, die bereits im Zielgleis stehen. Oder eine Förderanlage übernimmt die Waggons und führt sie kuppelreif an die stehenden Waggons im Gleis heran.
Neben dem Gleis und in Bereichen, in denen sich Weichen befinden, gibt es Rangierwege. Die Rangierer nutzen diese Wege, um zum Beispiel Weichen von Hand umzustellen oder Waggons an- und abzukuppeln.
Wie werden Rangierfahrten durchgeführt?
Hauptgleise dürfen nur dann zum Rangieren verwendet werden, wenn der Fahrdienstleiter im Vorfeld darüber informiert wurde. Für eine Zugfahrt werden sie dann rechtzeitig geräumt. Auf Nebengleisen trifft der Weichenwärter die Entscheidung, ob und wie rangiert wird.
Findet eine Rangierfahrt statt, sind daran der Führer des Triebfahrzeugs und der Weichenwärter, ein oder mehrere Rangierer und eventuell ein Rangierbegleiter beteiligt. Ist eine Rangierlokomotive im Einsatz, die per Funk ferngesteuert ist, übernimmt der Triebfahrzeugführer gleichzeitig die Aufgaben des Rangierbegleiters.
Bevor eine Rangierbewegung erfolgt, spricht sich der Triebfahrzeugführer (oder Rangierbegleiter) mit dem Weichenwärter über das Ziel, den Zweck und die Besonderheiten der Fahrt ab. Diese Absprache kann entfallen, wenn es sich zum Beispiel um eine Fahrt handelt, die regelmäßig stattfindet. Der Weichenwärter stellt dann den Fahrtweg ein und stimmt der Rangierfahrt durch entsprechende Signale oder Handzeichen zu.Anders als bei Zugfahrten gibt es für die Fahrwege von Rangierfahrten im Stellbereich von mechanischen oder elektromechanischen Stellwerken in aller Regel keine besondere Absicherung. Die Signale, die der Weichenwärter bei Rangiervorgängen vom Stellwerk aus bedient, können frei bedient werden. In modernen Gleisbildstellwerken sind die Weichen und andere Einrichtungen im Fahrweg in aller Regel direkt in die Rangierfahrstraßen integriert.
In Abhängigkeit von den Signalen besteht dadurch ein Schutz gegen ein versehentliches Umstellen. Zusätzlich dazu verhindert die sogenannte Gleisfreimeldeanlage, dass sich Weichen umstellen, wenn der Fahrweg von einem Fahrzeug befahren wird. Bei den Zielgleisen bleiben die Gleisfreimeldeanlagen aber unberücksichtigt. Denn anders als auf Zugfahrstrecken muss es bei Rangierfahrten möglich sein, Gleise zu befahren, auf denen sich bereits Schienenfahrzeuge befinden.
Sind alle Voraussetzungen erfüllt, erteilt der Rangierbegleiter den Fahrauftrag. Der Führer des Triebfahrzeugs muss den Fahrweg permanent im Blick haben. Das liegt daran, dass das Rangieren grundsätzlich auf Sicht erfolgt. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt dabei 25 Stundenkilometer, in Baugleisen maximal 20 Stundenkilometer. Je nach örtlichen Gegebenheiten kann der Weichenwärter dem Triebfahrzeugführer den freien Fahrweg auch ansagen. Dann ist eine Fahrt mit bis zu 40 Stundenkilometern möglich.
Überträgt der Triebfahrzeugführer einem Rangierbegleiter die Beobachtung des Fahrwegs, stellt sich dieser auf dem ersten Fahrzeug oder im Gleis auf. Es muss sichergestellt sein, dass der Rangierbegleiter den Fahrweg überblicken kann und ständig Funk- oder Sichtkontakt zum Triebfahrzeugführer hat.
Besondere Regelungen und Vorsichtsmaßnahmen gelten für das Abstoßen und Ablaufen. Sie sollen dafür sorgen, dass zum Beispiel Güterwaggons mit empfindlicher Ladung oder Gefahrgut keine Schäden davontragen, wenn sie zu hart auf stehende Fahrzeuge oder Gleisabschlüsse auflaufen. Auch beim Abstellen von Fahrzeugen und den Maßnahmen, die ein unbeabsichtigtes Wegrollen verhindern sollen, greifen Sonderregeln. Tatsächlich passiert es nämlich immer wieder, dass abgestellte Fahrzeuge mangelhaft gesichert sind und dadurch Flankenfahrten auslösen oder mit Zügen zusammenstoßen.
Wie läuft das Rangieren in einem Rangierbahnhof ab?
Anders als Personen- und Güterbahnhöfe sind Rangierbahnhöfe keine Zugangsstellen zum Eisenbahnnetz. Stattdessen dienen sie innerhalb des Netzes als Betriebsbahnhöfe des Güterverkehrs mit bestimmten Aufgaben. Allerdings ist es möglich, dass ein Bahnhof mehrere Teile umfasst, die nebeneinander liegen und verschiedenen Aufgabenbereichen zugeordnet sind. In diesem Fall wäre der Rangierbahnhof lediglich ein Teil einer kombinierten Bahnhofsanlage. Was die Ausdehnung der Gleisanlagen angeht, sind Rangierbahnhöfe die größten Bahnhöfe.
Vor allem in großen Rangierbahnhöfen ist das Ablaufen von Güterwaggons über einen Ablaufberg üblich. Verglichen mit anderen Rangierverfahren führt diese Rangiermethode, die einem Fließbandverfahren ähnelt, dazu, dass Güterzüge deutlich schneller und einfacher zerlegt und zu neuen Zügen zusammengesetzt werden können.
Das Erfassen der Daten
Güterzüge, die im Rangierbahnhof ankommen, fahren in aller Regel in die sogenannte Einfahrgruppe. Hier werden sie zuerst für das Zerlegen vorbereitet. Dazu werden die Waggonreihung erfasst und die einzelnen Waggons ihren jeweiligen Zielen zugeordnet. Die Waggonreihung und verschiedene andere Daten sind zwar in EDV-Systemen gespeichert und vorgemeldet. Dadurch sind sie bekannt, noch bevor der Zug ankommt.
Trotzdem gibt es Angaben, die für das Ablaufverfahren notwendig sind und erst vor Ort erfasst werden. Das betrifft zum Beispiel die Richtungsgleise, in die die Fahrzeuge einsortiert werden. Gleiches gilt für bestimmte Eigenschaften der Fahrzeuge und der Ladung, die besondere Vorsichtsmaßnahmen beim Ablaufen erfordern. So gibt es beispielsweise Waggons, bei denen das Abstoßen und Ablaufen komplett untersagt oder nur dann zulässig ist, wenn sie per Handbremse oder mit zwei Hemmschuhen aufgehalten werden können.
Erfasst werden die Daten klassischerweise über den Rangierzettel. Er hält die Aufgabenverteilung fest und informiert alle, die am Ablaufvorgang beteiligt sind. Das sind der Führer des Triebfahrzeugs, die Rangierer und das Stellwerkspersonal. Heute gibt es aber nur noch selten echte, von Hand beschriebene Rangierzettel aus Papier. An ihre Stelle sind tragbare Eingabegeräte getreten, die die erfassten Daten per Funk an eine Zentrale übermitteln und anschließend von dort aus weiterverarbeitet werden.
Die Vorbereitung
Nach der Erfassung kann das Ablaufen vorbereitet werden. Dafür werden die Druckluftbremsen gelöst, die einzelnen Waggons und Waggongruppen lang gemacht und eventuell sofort entkoppelt. Langmachen bedeutet, dass die Schraubenkupplungen gelockert werden, damit ein Entkuppler die langsam in Richtung Ablaufberg vorbeifahrenden Waggons mit einer Kuppelstange von der Seite aus entkoppeln kann.
Während diese Vorbereitungen stattfinden, rüstet sich der Weichenwärter im Ablaufstellwerk für das eigentliche Ablaufen. Stellt er in älteren Stellwerken die Weichen manuell, orientiert er sich am Rangierzettel. Darauf sind die Reihenfolge der ablaufenden Waggons oder Waggongruppen und die Zielgleise in der Richtungsgruppe des Bahnhofs, denen die Fahrzeuge zugeordnet sind, erfasst. Modernere Ablaufstellwerke stellen die Weichen während des Vorgangs selbstständig ein. Dazu gibt der Weichenwärter die Daten aus dem Rangierzettel in die Anlage ein und speichert sie ab.
Das Abdrücken
Die Verantwortung für das Ablaufen über den Ablaufberg, das auch als Abdrücken bezeichnet wird, trägt der Rangierbegleiter. In der Fachsprache wird er Ablaufleiter, Bergmeister oder Rückenmeister genannt. Er übernimmt Aufgaben, für die sonst der Triebfahrzeugführer zuständig ist.Kommt eine funkferngesteuerte Rangierlokomotive als Abdrücklokomotive zum Einsatz und steuert der Rangierbegleiter sie unmittelbar von seinem Platz am Scheitelpunkt des Ablaufbergs aus, obliegen ihm die Aufgaben des Rangierbegleiters und des Triebfahrzeugführers. Im normalen Ablaufbetrieb hingegen nutzt der Rangierbegleiter Abdrücksignale, um dem Triebfahrzeugführer die Fahraufträge zu geben. Auf die Rangiersignale kommen wir in Teil 3 noch zu sprechen.
Im automatischen Ablaufbetrieb stellen sich die Weichen dadurch um, dass die Waggons Schienenkontakte und Freimeldeabschnitte befahren und passieren. Der Weichenwärter muss die Ablaufvorgänge dann nur noch im Blick haben, damit er sofort eingreifen kann, wenn Unregelmäßigkeiten auftauchen. Störungen wie zum Beispiel Fehlläufe in ein falsches Gleis sind aber eher die Ausnahme. Falls sie vorkommen, gehen sie meist auf eine zu hohe Abdrückgeschwindigkeit zurück, die dazu geführt hat, dass die Anlage nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte.
Im Unterschied dazu muss der Weichenwärter für den manuellen Ablaufbetrieb hoch konzentriert und sehr erfahren sein. Ein Bedienungsfehler kann einen Fehllauf zur Folge haben, der nur mit erheblichem Rangieraufwand korrigiert werden kann. Schlimmstenfalls lässt die falsche Bedienung einer Weiche ein Fahrzeug entgleisen.
Das Bilden des neuen Zugs
Das Gefälle des Ablaufbergs ist so berechnet, dass auch schlecht laufende Waggons die Weichenzone durchfahren und das Zielgleis ohne vorherigen Stopp erreichen können. Um zu vermeiden, dass die Waggons mit einer zu hohen Geschwindigkeit im Zielgleis ankommen, ist es aus diesem Grund notwendig, die überschüssige Energie während des Ablaufens abzubremsen. Das erfolgt mithilfe von Gleisbremsen, die in die Gleise integriert sind.
Früher bestanden die Gleisbremsen aus einer Auswurfvorrichtung für Hemmschuhe. Dabei wurde ein Hemmschuh auf die Schiene aufgelegt und von einer Vorrichtung wieder ausgeworfen, damit das inzwischen abgebremste Fahrzeug weiterrollen konnte. Moderne Anlagen nutzen Balkengleisbremsen, bei denen die Bremskraft abgestimmt auf die Windstärke, Fahrzeugmasse und Waggongeschwindigkeit elektronisch geregelt wird.
Hemmschuhe fangen die Waggons, die in den Richtungsgleisen ankommen, vor den bereits im Gleis stehenden Waggons ab und bremsen sie bis zum Stillstand aus. Modern ausgestattete Rangierbahnhöfe verfügen über Gleisbremsen oder Fördereinrichtungen in den Gleisen der Richtungsgruppe. Sie fangen die Waggons, die vom Ablaufberg herunterrollen, selbstständig auf und führen sie kuppelreif an die schon vorhandenen Waggons heran. Dieser Vorgang nennt sich Beidrücken.
Es kann notwendig sein, dass eine Rangierlokomotive die Waggons in Richtungsgleisen zum Kuppeln beidrückt. Müssen die Waggons für den neuen Güterzug in Gruppen zusammengestellt werden, werden sie in einem zweiten Schritt noch einmal geordnet.
Erst nach dem eventuellen Nachordnen kann der neu zusammengesetzte Güterzug in der Ausfahrgruppe des Rangierbahnhofs mit einer Zuglokomotive verbunden und für die Fahrt vorbereitet werden. Hat die Zugaufsicht die Abfahrbereitschaft festgestellt und sind auch alle weiteren Voraussetzungen für die Fahrt gegeben, kann der Güterzug den Rangierbahnhof verlassen und zu seinem Ziel rollen.
