Auf den ersten Blick scheint die Sache klar und ziemlich einfach: Ein Bahnhof ist ein Ort, an dem Züge verkehren und Fahrgäste ein- und aussteigen können. Doch aus Sicht des Eisenbahnbetriebs ist das Thema komplexer.Im Eisenbahnbetrieb handelt es sich bei einem Bahnhof per Definition um eine Bahnanlage, die mindestens eine Weiche hat, an der Züge anfangen, enden, wenden oder ausweichen können. Im Unterschied zu einer Haltestelle können Züge an einem Bahnhof nicht nur anhalten. Stattdessen ist es hier auch möglich, zu rangieren. Außerdem sind Bahnhöfe nicht immer nur für den Reiseverkehr bestimmt. Genauso gibt es reine Güterbahnhöfe und Bahnanlagen, die sowohl den Personen- als auch den Güterverkehr bedienen.

Was gibt es sonst noch Interessantes und Wissenswertes? Wir beantworten zehn Fragen zu Bahnhöfen!

1. Wann begann die Geschichte der Bahnhöfe?

Im Jahr 1835 schlug die Geburtsstunde der deutschen Eisenbahn und damit begann zugleich auch die Geschichte der Bahnhöfe. Die einzelnen Fahrzeuge mussten abgestellt und zu Zügen verbunden werden. Außerdem mussten die Reisenden die Möglichkeit haben, die Bahnen zu erreichen. Weil die Züge länger waren und mehr Reisenden Platz boten als die bis dahin üblichen Postkutschen, wurden schon bald Bahnsteige gebaut, teils erweitert um Überdachungen oder Hallen.In den Anfangsjahren der Eisenbahn standen bei den Bahnhofsgebäuden die technischen Notwendigkeiten im Vordergrund. Ein Beispiel dafür sind die Empfangsanlagen der Ludwigseisenbahn, die zum größten Teil aus Holz bestanden. Die Ludwigseisenbahn war die erste Eisenbahn in Deutschland und verkehrte auf der Strecke zwischen Nürnberg und Fürth. Weder von der Strecke noch vom Bahnhofsgebäude dieser Bahn ist heute etwas erhalten. Es sollte aber nur wenige Jahre dauern, bis die ersten repräsentativen Bahnhöfe entstanden.Ende des 19. Jahrhunderts war die Eisenbahn ein Symbol für wirtschaftlichen Erfolg und Fortschritt. Dort, wo viel Publikum erwartet wurde, entstanden deshalb echte Prachtbauten. In Städten wie Leipzig, Bremen oder Frankfurt wurden Bahnhöfe errichtet, die architektonische Meisterstücke waren.

In den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg hatte es die Bahnhofskultur schwer. Kriegsschäden wurden nur schleppend beseitigt, viele Bahnhöfe wurden zurückgebaut oder verfielen. In manchen Städten wurden zwar neue Bahnhöfe gebaut, aber an die repräsentativen Bauwerke früherer Tage reichten sie kaum heran. Die historischen Gebäude fanden eher wenig Beachtung. Insgesamt war der Ausbau des Straßennetzes wichtiger.Erst als sich ab Mitte der 1970er-Jahre allmählich die Erkenntnis durchsetzte, dass es aus verkehrspolitischer Sicht nicht klug ist, die Eisenbahn zu vernachlässigen, wurde auch das Interesse an Bahnhöfen wieder größer. Trotzdem wurden nur wenige Bahnhöfe ganz neu gebaut. Wenn das der Fall war, dann handelte es sich überwiegend um Bahnhöfe an Flughäfen oder entlang neuer Hochgeschwindigkeitsstrecken.

2. Wie sind Bahnhöfe aufgebaut?

Bei Bahnstationen für den Reiseverkehr wird hierzulande zwischen einer Verkehrsstation und einem Empfangsgebäude unterschieden. In die Gruppe der Verkehrsstationen gehören in erster Linie die Bahnsteiganlagen und die dazugehörigen Zugangswege wie Unterführungen, Treppen oder Wegeleitsysteme. Empfangsgebäude sind die klassischen Bahnhofsgebäude. Sie sind mit Serviceeinrichtungen wie Fahrkartenschaltern und Wartebereichen ausgestattet. Außerdem gibt es oft Kioske, Geschäfte und Gastronomie. Auch Eisenbahnbüros und Dienstwohnungen sind zum Teil vorhanden. Vor den meisten Empfangsgebäuden befindet sich ein Bahnhofsvorplatz, der den Verkehrspunkt städtebaulich mit dem Ort verknüpft. Inzwischen werden viele Bahnhofsgebäude aber nicht mehr unmittelbar für den Eisenbahnbetrieb genutzt. Und seit der Reformierung des deutschen Eisenbahnbetriebs sind etliche Gebäude nicht mehr mit Personal besetzt oder sogar ganz geschlossen. Auf diese Weise sollen mögliche Schäden durch Vandalismus minimiert werden. Für die wartenden Reisegäste wurden im Gegenzug zum Teil überdachte Wartehäuschen aufgestellt.

3. Wie viele Bahnhöfe gibt es hierzulande?

Für den Reiseverkehr sind aktuell in Deutschland rund 5.700 Stationen in Betrieb. Diese Zahl schließt Haltestellen, Haltepunkte und Bahnhöfe ein. Mit rund 5.400 Verkehrsstationen ist die Deutsche Bahn AG der Eigentümer vom Großteil davon.Bahnhofsgebäude gibt es etwa 2.300. Der Deutschen Bahn AG gehören ungefähr 700. Anders als bei den Verkehrsstationen haben die Empfangsgebäude somit inzwischen überwiegend andere Besitzer.

4. Wem gehören die Bahnhöfe in Deutschland?

Die Verkehrsstationen gehören entweder den Eisenbahninfrastrukturunternehmen oder den NE-Bahnen. Der Begriff NE-Bahnen steht für Nichtbundeseigene Eisenbahnen und bezeichnet alle Eisenbahnunternehmen, die nicht dem Bund gehören.Bei den Empfangsgebäuden können ebenfalls die Eisenbahnen des Bundes oder die Nichtbundeseigenen Eisenbahnen die Eigentümer sein. Aber es kommen auch viele andere Eigentümer in Frage. Dazu zählen zum Beispiel die Kommunen, Vereine oder Investoren.

5. Wie werden die Bahnhöfe finanziert?

Wie beim Aufbau und den Eigentumsverhältnissen spielt auch bei der Finanzierung eine Rolle, ob es um eine Verkehrsstation oder ein Empfangsgebäude geht. Bei den Verkehrsstationen wird der laufende Betrieb hauptsächlich durch das sogenannte Stationsentgelt finanziert. Dieses Entgelt bezahlen die Eisenbahnunternehmen für jeden Halt an einer Station. Für Investitionen in den Erhalt, den Ausbau und den Neubau von Verkehrsstationen stellen der Bund und die Länder öffentliche Fördermittel zur Verfügung. Zusätzlich dazu fließen die Eigenmittel der Eisenbahninfrastrukturunternehmen ein, die die Eigentümer der Stationen sind. Für die Finanzierung von Bahnhofsgebäuden sind grundsätzlich die jeweiligen Eigentümer zuständig und verantwortlich. Öffentliche Fördermittel gibt es kaum, allenfalls im Rahmen von Projekten oder Konjunkturprogrammen. Weil sich Bahnhofsgebäude somit eigenwirtschaftlich finanzieren müssen, sind die Mieteinnahmen der wichtigste Faktor für die Finanzierung des laufenden Betriebs.

6. Welcher Personenbahnhof in Deutschland ist am stärksten frequentiert?

Mit weit mehr als einer halben Million Besuchern pro Tag ist der Hauptbahnhof in Hamburg der Bahnhof für den Personennah- und -fernverkehr, der am meisten frequentiert wird.Den zweiten Platz belegt der Hauptbahnhof in Frankfurt am Main. Ihn besuchen täglich rund 495.000 Gäste. Auf dem dritten Platz folgt der Münchener Hauptbahnhof. Der Hauptbahnhof der bundesdeutschen Hauptstadt landet mit rund 330.000 Besuchern nur auf Platz 4.

7. Gibt es bei den Bahnhöfen ebenfalls Reaktivierungen?

So wie in den vergangenen Jahren zahlreiche Bahnstrecken reaktiviert wurden, wurden und werden auch Bahnhöfe wieder in Betrieb genommen. Das gilt zum einen für Verkehrsstationen an Bahnstrecken, die im Zuge der Reaktivierung erneut in den Personenverkehr eingebunden sind. Zum anderen werden an bestehenden Eisenbahnstrecken immer öfter stillgelegte Bahnhöfe wieder geöffnet oder auch komplett neue Haltestellen eingerichtet.

8. Wie sieht es an deutschen Bahnhöfen mit der Barrierefreiheit aus?

Der Anteil an Bahnhöfen, bei denen die Gleise ohne Stufen zu erreichen sind, erhöhte sich in den vergangenen Jahren auf fast 85 Prozent. Was die Barrierefreiheit angeht, ist Deutschland insgesamt also auf einem guten Weg. Allerdings ist das nicht überall gleichermaßen der Fall. So haben es Zugreisende mit eingeschränkter Mobilität im Saarland sowie in Hessen, Thüringen und Bayern vergleichsweise schwer. In diesen Bundesländern hinkt die Zahl der ohne Stufen erreichbaren Bahnsteige dem bundesweiten Durchschnitt deutlich hinterher. Die Problematik besteht überwiegend darin, dass nicht genug Fahrstühle, Rolltreppen oder Rampen vorhanden sind. Mit Quoten von weit über 90 Prozent schneiden hingegen die Bahnhöfe in Schleswig-Holstein, Berlin und Niedersachsen bei den barrierefreien Zugängen zu den Bahngleisen besonders gut ab. Dabei profitieren nicht nur Zugreisende mit Gehbehinderungen von der Barrierefreiheit. Auch für ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen und Fahrradfahrer sind Zugänge ohne Treppen wichtig.

Im Bundeshaushalt 2021 stellte der Bund zusätzliche Mittel bereit, um Bahnhöfe barriereärmer und insgesamt attraktiver zu gestalten. Die Fördermittel beliefen sich auf 238 Millionen Euro und sollten vor allem kleineren Verkehrsstationen zugutekommen. Tatsächlich ist es wichtig, die Bahnhöfe in den Blick zu nehmen. Denn wenn die Klimaziele erreicht werden und künftig mehr Strecken mit dem Zug zurückgelegt werden sollen, müssen alle Zugreisenden die Möglichkeit haben, Bahnhöfe schnell und bequem zu erreichen. Das wiederum setzt ein dichtes Netz an Haltestationen, ansprechend gestaltete Haltestellen und sicher erreichbare Gleise voraus.

9. Wie steht es um die Abdeckung mit WLan an Bahnhöfen in Deutschland?

An den meisten Haltestellen in Deutschland müssen Zugreisende die Wartezeit ohne WLan überbrücken. Nur Schleswig-Holstein, Hessen und Hamburg können mit einer guten WLan-Ausstattung glänzen. Hier liegt der Anteil an Bahnhöfen, an denen Zugreisenden eine kostenfreie Internetverbindung zur Verfügung steht, bei mindestens 75 Prozent. Beim Klassenprimus Hamburg sind sogar fast alle Haltestellen mit WLan ausgestattet. Ganz anders sieht es in Brandenburg, im Saarland und in Rheinland-Pfalz aus. Hier bewegt sich die WLan-Abdeckung an Bahnhöfen knapp über der mageren Ein-Prozent-Marke. Auch Berlin kann an weniger als zehn Prozent der Haltestellen mit kostenfreiem WLan für Zugreisende aufwarten. Im Bundesdurchschnitt sind gerade einmal zwölf Prozent der Bahnhöfe und Haltestellen mit Gratis-Internet per Funkverbindung ausgerüstet. Was die WLan-Abdeckung an deutschen Bahnhöfen angeht, ist also noch viel Luft nach oben.

10. Welche Bedeutung haben Bahnhöfe?

Natürlich sind Bahnhöfe in erster Linie Drehscheiben für den öffentlichen Verkehr. Aber sie haben weit mehr als nur eine nützliche Funktion. Vor allem Bahnhofsgebäude mit Serviceeinrichtungen, Geschäften und Gastronomie können ein markantes Aushängeschild der Stadt und eine hervorragende Visitenkarte für die Schiene als sicherer und umweltfreundlicher Verkehrsträger sein. Hinzu kommt, dass so mancher Bahnhof eine architektonische Meisterleistung ist und damit das Potenzial zur echten Sehenswürdigkeit hat. Nicht umsonst küren Eisenbahn- und Tourismusverbände alljährlich die schönste Bahnhöfe. Dabei steht bei den Auszeichnungen mal der Reisekomfort im Mittelpunkt. Serviceleistungen, übersichtliche Informationssysteme und gute Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr sind dann Kriterien, die ins Gewicht fallen. Andere Auszeichnungen nehmen das Ambiente ins Visier und präsentieren nostalgische, moderne oder aus anderen Gründen einzigartige Bahnhofsgebäude. Daneben haben Bahnhöfe oft einen besonderen Stellenwert im zwischenmenschlichen Bereich. Immerhin sind es Orte, an denen Wiedersehen und Abschiede stattfinden, neue Lebensabschnitte beginnen oder Abenteuer ihren Anfang nehmen. Passend dazu gibt es zahlreiche Songs, die an Bahnhöfen spielen oder davon erzählen. Bahnhöfe sind also weit mehr als nur eine Ansammlung von Gleisen und Bahnsteigen, an denen Züge verkehren.